"Die Menschen können das!" – Mit neue pastoralen Wegen durch die Krisen
Picknick-Gottesdienst, Sternderl-Schauen in der Kirche, ein Promenadenweg, die etwas andere Christophorus-Feier und vieles mehr waren in diesem Sommer unter dem Titel „Kirche ist Mee(h)r“ in Pinsdorf geplant. Der Hintergedanke zum Angebot war die Annahme, dass auch in diesem Sommer nicht alle ans Meer oder in den Urlaub fahren können bzw. möchten. Insofern sollte das Meer nach Pinsdorf kommen. Einiges musste bedingt durch die massiven Hagelschauer Ende Juni wieder abgesagt werden, denn Pinsdorf ist eine der am meisten durch die Unwetter verwüsteten Gemeinden in Oberösterreich. „Ein einziges Feld ist geblieben, alles andere ist kaputt. Da haben die Menschen andere Sorgen gehabt als unser Sommerprogramm,“ erzählt Mag. Gerhard Pumberger, Pfarrassistent in Pinsdorf. Auch das Kirchendach wurde vollkommen zerstört, nur dank eines zwei Wochen andauernden Einsatzes der Feuerwehr konnte die Kirche vor dem Abriss, verursacht durch Folgeschäden, gerettet werden. So sah in Pinsdorf heuer auch die Erntekrone anders aus: „Es gab ja kein Getreide dafür,“ ergänzt Gerhard Pumberger.
Was sind die Bedürfnisse der Menschen?
Dass Gerhard Pumberger und das PGR-Team in Pinsdorf flexibel auf die jeweiligen Umstände und Krisen reagieren, wurde auch im Lauf der Corona-Pandemie deutlich. Viele Angebote wurden seit März 2020 vollkommen verändert und sollen in dieser neuen Form auch beibehalten werden: „Vieles können wir nicht mehr so machen wie vor Corona. Also haben wir uns gefragt: Was hat sich verändert? Was sind die Bedürfnisse der Menschen?“ Eine Erkenntnis aus den Überlegungen war, dass andere Angebote an den Fest- und Feiertagen benötigt werden.
Während der Phasen der Pandemie, in denen Lockdowns bzw. Beschränkungen (liturgische) Feiern im üblichen Stil verunmöglicht haben, wurde die Pfarre Pinsdorf kreativ und hat die Angebote verändert. Dabei wurde auch deutlich, dass den wenigsten Menschen bei Adventkranzweihe, Aschermittwoch oder auch Maria Lichtmess der Sonntagsgottesdienst wichtig ist. Vielmehr geht es ihnen um die speziellen Rituale, die mit diesen Tagen verknüpft sind. Gelernt hat die Pfarre unter anderem aus Ostern in der Pandemie: „Voriges Jahr empfand ich es als sehr befreiend, dass an Karsamstag nichts war. Am Ostersonntag hatten wir ab 5 Uhr ein Osterfeuer, nichts anderes, keinen liturgischen Impuls. Und das braucht es auch nicht. Es denkt sich eh jede*r, was er*sie braucht. Man muss nicht alles zerreden und ein Osterfeuer hat eine Kraft an sich, ohne Zutun.“
Bewährt hat sich in der Pandemie auch das Konzept der offenen Kirche. Seit den Lockdowns ist die Kirche untertags immer geöffnet, bei der Marienstatue brennt ein Licht und auch am Altar brennen die Kerzen. Außerdem läuft Musik in Dauerschleife.
Die Menschen können das!
Gerhard Pumberger vertraut dabei sehr stark auf die Ritualkompetenz der Menschen, wie auch an der Gestaltung von Maria Lichtmess deutlich wurde: Die Menschen konnten in die Kirche kommen, dort fanden sie verschiedene Stationen und durften selbstständig die Kerzen weihen. Gerhard Pumberger macht seine Erfahrung daraus deutlich: „Die Menschen brauchen mich als Pfarrassistenten nicht dazu. Die können das perfekt!“ So kamen im vorigen Jahr 250 bis 350 Leute rund um Lichtmess in die Pfarrkirche.
Wichtig ist Gerhard Pumberger zudem, die Balance zu halten zwischen individuellen Angeboten und jenen, die sich an eine Feiergemeinschaft richten. In diesem Sinne gestaltete er auch Aschermittwoch: „Untertags konnten sich die Menschen das Aschekreuz selbst holen. Am Abend gab es einen gemeinsamen Abschluss. Darauf bekam ich von einigen die Rückmeldung, dass sie in diesem Jahr zum ersten Mal das Aschenkreuz bekommen hätten. Davor war es ihnen auf Grund beruflicher Umstände nicht möglich.“
Veränderung ist ein Prozess
Dass diese Veränderungen nicht von heute auf morgen gingen, sondern ein längerer Prozess waren, den Corona lediglich beschleunigt hat, macht Gerhard Pumberger deutlich: „Die Menschen hier haben sich auf die Reise gemacht, das ist ein Weg von zwanzig Jahren.“
Auch an Allerheiligen wollte man den geänderten Bedürfnissen der Menschen Rechnung tragen: „Es gibt Leute, die halten das Massengedenken nicht aus. Also haben wir voriges Jahr ein anderes Konzept ausprobiert und gleichzeitig überlegt, wie bringen wir das in die Zeit, in der wir mit Corona wieder besser leben können.“ Also gab es in diesem Jahr verschiedene Modelle bzw. Angebote zum Totengedenken und die Feier wurde auf mehrere unabhängige Teile aufgeteilt. „Das ist zwar mehr Arbeit, aber dafür werde ich ja bezahlt“, lacht Gerhard Pumberger. So gab es in diesem Jahr am Vorabend zum Gedenktag eine „Jukebox der Hoffnung“. Diese hat Lieder gespielt, die sich die Menschen zuvor in Erinnerung an ihre Verstorbenen wünschen konnten. Dazu wurden die Gräber bunt beleuchtet. Am Feiertag selbst wurde die Feier auf ein Gedenken am Friedhof reduziert, das nur ca. 30 Minuten gedauert hat. Im Anschluss hat ein Team der Pfarre auf Wunsch Gräbersegnungen angeboten. Am Allerseelentag gab es eine Lichterprozession.
Reduktion auf das Wesentliche
Auch mit Blick auf die Klimakrise passt die Pfarre Pinsdorf ihre Angebote an, was sich in der Adaption der Christophorus-Feier zeigt: „Die kann ich nicht mehr machen wie vor zwanzig Jahren. Insofern war das Thema heuer „Unser Leben ist wie ein Fahrrad“. Und so wurden alle möglichen fahrbaren Untersätze gesegnet: Viele Fahrräder, aber auch Kinderwägen oder Scooter.“
Generell gilt in Pinsdorf Reduktion auf das Wesentliche, auch bei den Sonntagsgottesdiensten, denn keiner, auch die Feiertagsgottesdienste, dauert länger als 45 Minuten. „Diese Kürze wird sehr positiv wahrgenommen“, erzählt Gerhard Pumberger, „auch wenn es eine Herausforderung ist, alles was vorher eine Stunde gedauert hat, auf 40 Minuten zu komprimieren.“
Was ist sinnvoll für die Zukunft?
All diese Überlegungen muss die Pfarre nicht treffen, weil sie zu wenige Gottesdienstbesucher*innen hat, stellt Gerhard Pumberger klar: „Uns geht es ausgezeichnet, vom Besuch her. Aber wir fragen uns, was ist sinnvoll für die Zukunft. Wobei das natürlich ein unheimliches Engagement von den Ehrenamtlichen fordert, aber auch ein Umdenken bei den Hauptamtlichen.“
Und die Videos, wie etwa das zur Sommerkirche? Diese macht der Sohn von Gerhard Pumberger, wobei es sich nicht um einen Pfarrkanal handelt, vielmehr verlinkt sich die Pfarre auf Jonas' YouTube-Account „Dronie 4 life“, der sich auf Drohnen-Videos spezialisiert hat. Von Zeit zu Zeit gibt es dort Sonntagsvideos, in denen aber wenig Liturgisches gezeigt wird. Den Hintergrund dazu erklärt Gerhard Pumberger folgendermaßen: „Eine Predigt von mir online, das brauchen die Pinsdorfer nicht. Sie wollen andere Menschen sehen, schöne Bilder und besondere Ansichten von Pinsdorf.“ Entwickelt wurde auch dieses Format in den Lockdowns. Dazu macht Gerhard Pumberger deutlich: „Andere haben aufgehört, wir tun weiter. Das Sommerkirchenvideo etwa hat 300 Klicks, so viele habe ich am Sonntag nicht im Gottesdienst und mit den Videos möchte ich eine Botschaft transportieren: Kirche in Pinsdorf ist lebendig.“
Text: Mag.a Melanie Wurzer BA